LVZ vom 13.10.2009
Wechsel-Theater
Modalitäten bei Transfers von Spielern sorgen immer wieder für Ärger
Peter Gebauer ist sauer auf Fußballer Hans Tisch (Name geändert). Der heuerte im Sommer gleich bei zwei neuen Vereinen nacheinander an. Zuerst bei Rotation 1950, wo Gebauer Sponsor ist. Dort sorgt Tisch für Frust, weil er den Verein schon nach wenigen Wochen wieder verließ.
Von FRANK MÜLLER
Obendrein war und ist der Spieler in der Firma von Peter Gebauer, Hauptsponsor von Rotation, angestellt. Eigentlich eine günstige Konstellation, schließlich ist ein Arbeitsplatz ein nicht zu verachtendes Angebot an den Spieler. Der Akteur sah das trotz nur mäßiger beruflicher Qualifikation offenbar anders. Er hatte sich in der Wechselphase bis 30. Juni bei Rotation 1950 angemeldet, ließ sich dann aber noch vor dem 31. August per Amateur-Vertrag von einem weiteren Verein verpflichten. Sogenannte Amateur-Verträge – Vereinbarungen über mindestens 150 Euro mit Sozialversicherungs- und Steuerpflicht – sind eigentlich der erste Schritt zum Profi. Sie sollen die freie Vereinswahl (analog der freien Arbeitsstellenwahl) ermöglichen und werden oft genutzt, um gegen den Willen des aktuellen Klubs zu wechseln. Noch dazu können Spieler die Hand gleich zwei Mal aufhalten.
Bei Rotation kam der Fall von Sportkamerad Tisch nicht gut an. „Dazu kommt, dass der junge Mann nur wenige Tage in meiner Firma zur Arbeit erschien und sich dann krank meldete“, schildert Gebauer.
Dessen Groll über das illoyale Verhalten des Akteurs wird nur dadurch etwas gemildert, dass er auch andere Erfahrungen macht. So absolviert Thomas Stolle bei ihm gerade eine Ausbildung. Der Rotation-Torjäger ist einer von mehreren Sportlern (von fünf Azubis sind vier Fußballer), die Gebauer beschäftigt. Der ehemalige Vereinspräsident sieht seine eigene Rolle angesichts des Verhaltens mancher Spieler durchaus selbstkritisch: „Eigentlich sind solche Sponsoren wie ich bekloppt“, und bezieht das darauf, wie sich die Vereine von Spielern gegeneinander ausspielen lassen. „Wir dürften das nicht mitmachen und auch kein Geld für Amateur-Verträge oder anderes zahlen. Denn diesmal sind wir die Angeschmierten, das nächste Mal vielleicht der Verein, der jetzt profitiert.“
Die Regeln funktionieren also nur bedingt. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) gibt die Wechselmodalitäten vor, auch für die ihm nachgeordneten regionalen Verbände. Danach können sich Spieler jeweils bis zum 30. Juni, also zum Saisonende, bei ihrem alten Verein abmelden, wenn sie sich einem neuen anschließen wollen. In diesem Jahr verzeichneten die Bezirksligisten bis Anfang Juli immerhin 74 Zugänge – eigene Junioren mitgerechnet. Ein Vereinswechsel ist aber sogar noch bis zum 31. August möglich, obwohl dann in aller Regel das neue Spieljahr schon begonnen hat, falls der neue Verein mit dem gewünschten Akteur einen Amateur-Vertrag schließt. Damit können die Spieler suchenden Vereine übrigens nicht nur die Frist für Spielerverpflichtungen verlängern, sondern auch die Ausbildungsentschädigung umgehen, die sonst an den abgebenden Verein fällig würde. Die Höhe der Summe richtet sich danach, von welcher Liga in welche neue gewechselt wird.
In der Praxis offenbart das Wechselsystem also Mängel oder zumindest für die Vereine nicht selten unerfreuliche Aspekte. Dazu gehört in der heißen Wechselphase, dass Vereine von Spielern gegeneinander ausgespielt werden. Und ob das Geld, das den Akteuren laut Amateur-Vertrag zusteht, wirklich fließt, wird von vielen bezweifelt. Oft wird der Vertrag eben nur geschlossen, um die zusätzliche Wechselfrist zu nutzen.
„Und hier profitieren wir ja mitunter“, gibt ein Vereinsmanager zu, obwohl er auf diese Weise auch schon mehrfach gelinkt wurde. So passiert es immer wieder, dass Spieler, mit denen mündlich der Verbleib längst verabredet war, ihren Klub noch unmittelbar vor Ende der Wechselfrist verlassen. „Die nehmen vorher alle Vergünstigungen mit. Einer hatte sogar gerade einen Arbeitsplatz von uns vermittelt bekommen und dann nicht einmal den Schneid, sich zu verabschieden“, schildert einer der so Geprellten.
Bei Lipsia Eutritzsch verschwand einst ebenfalls kurzfristig ein Spieler, der sogar Vorstandsmitglied war. Diverse Verlockungen ließen ihn den Anstand wohl vergessen.
Peter Gebauer will solches Verhalten nicht mehr hinnehmen und fordert: „Vereine, die Amateur-Verträge anbieten können, haben ja offenkundig genügend Geld. Also dürften sie grundsätzlich keine Förder-gelder bekommen. Schließlich sind das Steuergelder.“
STANDPUNKT Von Frank Müller
Mentalität der Wanderarbeiter
Vereinswechsel von Spielern gehören zweifellos zur Freizügigkeit und können für alle Beteiligten von Vorteil sein. Der DFB hat dafür Regeln aufgestellt. Viele sehen darin jedoch die Vereine und Clubs gegenüber den Spielern im Nachteil. Man könnte auch sagen: Individualität steht über Kollektivität. Für einen Mannschaftssport wie Fußball kein unproblematischer Umstand, schließlich lebt er nicht zuletzt vom Teamgeist, auch von Loyalität. Wenn aber Spieler allein im Laufe einer Saison bei drei Vereinen angemeldet und für zwei davon kicken dürfen, wird diese natürlich untergraben – und die Freizügigkeit übertrieben. Die Planungssicherheit für Vereine wird zugleich stark reduziert, wenn die Mentalität der Akteure der von Wanderarbeitern gleicht, bei denen die Treue zum jeweiligen „Arbeitgeber“ naturgemäß schwach ausgeprägt ist. Die Wechselphase müsste also in jedem Fall spätestens mit Beginn der Punktspiele enden.
Die Vereine sind keineswegs schuldlos, viele erziehen die Spieler geradezu zum „Club-Hopping“, locken sie selbst im Amateurbereich oftmals mit Geld, auch so genanntem Handgeld. Wenn es zu ihrem Vorteil ist, nutzen sie die ausdehnbare Wechselfrist durchaus gern. Erst, wenn die Vereinsmanager mit den Transfer-Mechanismen nicht mehr mithalten können, weil die Mittel ausgehen, schimpfen sie auf das System. Dann sind die von ihnen satt gefütterten Kicker aber längst weiter gezogen – bestenfalls mit einer gequälten Träne im Knopfloch.